„Wie ist es die Welt in Schwarz zu sehen, keine Farben zu kennen und immer auf die Hilfe von anderen angewiesen sein zu müssen?“ Eine zentrale Frage die mich in den letzten drei Monaten, seit dem ich meinen Freiwilligen Friedensdienst in Nicaragua mache, sehr beschäftigt hat. Seit dem ich am 23. Juli 2009 in Matagalpa, einer kleinen Stadt in den Bergen Nicaraguas, angekommen bin ,ist viel passiert, zum Beispiel spreche ich mittlerweile so viel Spanisch, dass ich mich gut verständigen kann, ich finde immer mehr einheimische Freunde und es gelingt mir häufiger eigene Ideen in mein Projekt an der Escuela Publica de Educacion Especial La Amistad einzubringen. Hier nun ein Ausführlicher Bericht zu meiner Arbeit im Projekt:
Escuela Publica Espical La Amistad
Das Projekt im Allgemeinen
Jeden Morgen arbeite ich von 7.15 Uhr bis 12.15 Uhr in meinem Projekt ,an der Escuela Publica de Educacion Especial la Amistad, eine integrative Grundschule für gesunde Kinder, sowie für Kinder mit körperlichen und geistigen Behinderungen im Alter von 5-13 Jahren . Insgesamt hat besteht meine Schule aus 10 Klassenräume, in denen meist bis zu 30 Kinder sitzen. Es gibt zwei Klassen für taubstumme Kinder, sowie zwei Klassen für geistig Behinderte Kinder, in den restlichen Klassen sitzen zum größten Teil gesunde Kinder. Jedoch werden oft Kinder mit Förderbedarf in den einzelnen Fächern von der Lehrerin mit besonderen Aufgaben betreut. Die Kinder werden in den Fächern „Kochen“, „Sport“, „Computer“ und zu einem geringen Teil in „Kunst“, unterrichtet. Später kommen noch Fächer wie „Gesellschaft“ und „Handwerk“ dazu. Den größten Teil des Unterrichtes nehmen die Fächer „Sprache und Literatur“ sowie „Mathematik“ ein. Um all diese Fächer unterrichten zu können hat meine Schule einen Nähraum, eine Küche, einen Computerraum und seit kurzer Zeit einen Essensraum, da die Kinder in der Schule essen. Obwohl es alles sehr komplex erscheint ist meine Schule für deutsche Verhältnisse sehr klein. Und die meisten Materialien konnte sich die Schule nur leisten, da sie eine Partnerschaft mit einer Stadt namens Tilburg in Holland hat. Da es in Nicaragua an Platz für Unterricht mangelt findet der Unterricht der Grundeschule am Morgen und der Unterricht der weiterführernden Schule am Nachmittag statt.
Mein Arbeitsbereich
Ich arbeite zusammen mit der Klassenlehrerin Ermelinda in einer zweiten Klasse, die von Kindern im Alter von 7 bis 12 Jahren besucht wird. In den ersten zwei Wochen meines Projektes hatte ich nicht viel zu tun, da mein Spanisch noch zu schlecht war und ich mich weder mit den Kindern noch mit meiner Lehrerin verständigen konnte, aus diesen Gründen bestanden meine Hauptaufgaben darin Sachen aus zuschneiden, aufzuhängen oder einfach nur anwesend zu sein. Doch durch meinen nachmittäglich Sprachkurs ,wurde mein Spanisch besser und somit auch die Kommunikation in meinem Projekt. Schnell suchte ich mir neue Aufgaben, zum Beispiel Oliver einen blinden Jungen in meiner Klasse, das Lesen und Schreiben, der Blindenschrift beizubringen. Dies ist auch jetzt meine neue Hauptaufgabe, seit ungefähr eineinhalb Monaten helfe ich auch immer wieder in der Küche beim Kochunterricht, und seit 2 Wochen gebe ich 2 Stunden die Woche Englischunterricht in meiner Klasse. Im weiteren biete ich an zwei Mittagen in der Woche Englischunterricht für meine Lehrer an, da in diesem Bereich eine große Nachfrage bestand. Im großen und ganzen bin ich sehr zufrieden in meinem Projekt, die Lehrer und vor allem der Direktor Jose Manuel Lopez sind sehr freundlich und geben einem, wen man Intresse zeigt, Raum und Zeit um seine eigene Ideen im Projekt zu verwirklichen. Jedoch denke ich dass man nicht darauf warten sollte dass einem die Aufgaben zugeschmissen werden. Hätte ich das getan würde ich wahrscheinlich immer noch da sitzen und Sachen ausschneiden.
Oliver- Mein Hauptaufgabe
Oliver ist neun Jahre alt und von Geburt an Blind. Jeden Morgen wird Oliver von einem Schulbus der dem Projekt angehört zur Schule gebracht Leider fällt dieser Bus oft aus und so kann Oliver nicht zur Schule kommen. Die Eltern haben nicht genug Geld um Oliver an diesen Tagen in einem öffentlich Bus fahren zu lassen und aus diesem Grund fehlt er sehr häufig. Zu Beginn meiner Arbeit mit Oliver erzählte mir meine Klassenlehrerin dass er schon etwas die Blindenschrift beherrsche und Buchstaben so wie einfache Wörter lesen könne. Jedoch stellte sich schnell für mich heraus, dass dies nicht der Fall war und Oliver nur riet und noch nicht einmal die einzelnen Buchstaben voneinander unterscheiden konnte, deshalb musste ich ganz von vorne Anfangen. Da ich in der ersten Zeit die Blindenschrift nicht beherrschte musste ich in einer Tabelle nachlesen wie die einzelnen Buchstaben, in Form von Punkten, die mit einer Nadel ins Papier gestochen werden, aussehen. Mittlerweile habe ich so viel geschrieben dass ich es auch ohne Tabelle schaffe.
Und mit jedem Buchstaben den ich für Oliver schreibe, wird er besser. Mittlerweile beherrscht er das komplette Alphabet und wir fangen an einfache Worte wie „Mama“ oder „Papa“ zu lesen. Oliver ist sehr aufgeweckt und lernt schneller als ich zuerst gedacht hätte. Außerdem redet und erzählt er gerne von seinen Erlebnissen und präsentiert mir jeden Tag ein neues Tier aus seiner riesigen Stofftiersammlung. Da gibt es Mäuse, Elefanten und Hunde, die ich ihm alle genau beschreiben soll und von denen er komischer Weise immer die Farbe wissen möchte. So weit es gehtVersuche ich ihm die Welt zu beschreiben, jedoch fällt es mir auf Spanisch noch sehr schwer und ich glaube mir würde es auch auf Deutsch schwer fallen. Trotzdem geht Oliver mit so viel Freude und Aktivität an die Sachen dran, was mir sehr viel Spaß macht und mich immer wieder verblüfft.
Seit dem ich mit Oliver zusammen Arbeite habe ich mir oft die Frage gestellt wie es ist blind zu sein. Dies erzählte ich Mirte meiner holländisch Mitbewohnerin und sie kam auf die Idee, ich solle doch einen blinden Tag machen. Schnell war ich von der Idee begeistert und schon zwei Tage danach stand ich auf, verband mir die Augen und nahm die Binde erst am Abend kurz vor dem schlafen gehen ab. Es war wahrscheinlich der einzige Tag in meinem Leben an dem ich das Tageslicht nicht gesehen hab. Trotzdem versuchte ich den Tag so normal wie möglich zu gestalten, ich ging ins Schwimmbad und zur Bäckerei und fuhr mit dem Bus. Dieser Tag hat mir im nach hinein sehr viel gebracht da ich viel über das blind sein gelernt habe. Zum Beispiel war mir nie bewusste wie sehr man als Blinder auf die Hilfe von anderen angewiesen ist und es deshalb unmöglich ist ein selbständiges Leben zu führen. Immer wieder musste mir Mirte den Weg zeigen und hätte ich keine anderen Menschen gehabt, hätte ich wahrscheinlich im Bett liegen bleiben müssen. Doch dank der dieser anderen Menschen hatte ich trotzdem einen schönen Tag, es war zum Beispiel ein ganz besonderes Erlebnis im Schwimmbad ins Wasser zu gehen, und auch das Essen nach dem Schwimmen schmeckte besonders gut. Außerdem nahm die Welt viel mehr über meine Füße und über meine Nase war. Ich werde wahrscheinlich niemals verstehen wie es ist Blind zu sein aber ich habe einen Eindruck bekommen und deshalb wünsche ich niemanden in diese Situation zu kommen, es ist nämlich sehr schön ein freies und eigenständiges Leben führen zu können.
Andere Aufgaben im Projekt
Seit einiger Zeit helfe ich noch beim Kochunterricht mit, in der Küche der Schule koche ich zwei mal die Woche landestypische Gerichte. Oft machen wir Plätzchen, Enchilda oder andere Köstlichkeiten, die dann an die Kinder der anderen Klassen, für einen geringen Preis verkauft werden. Meine Aufgabe besteht darin herumzugehen und den Kindern dabei zu helfen die Zutaten in die richtige Form zu bringe.
Seit ungefähr zwei Wochen besteht eine weitere Aufgabe darin den Kindern Englischunterricht zu geben. Auf diese Idee kam ich da viele Kinder zu mir kamen und immer wieder englische Wörter, die sie irgendwo aufgeschnappt hatten, an den Kopf schissen. Als ich meiner Lehrerin von der Idee erzählte war sie begeistert und so gebe ich nun zwei Stunden die Woche Englischunterricht der meist auf spielerische Art und Weise stattfindet, da die Kinder meist noch nicht richtig sicher schreiben können. Doch wenn ich in die Schule komme werde ich seit neustem mit ein freundlichen „Good morning“ begrüßt.
In meiner Klasse gibt es sogar Kinder die noch gar nicht schreiben können, und wenn Oliver fehlt, was nicht selten vorkommt, gebe ich genau diesen Kindern Nachhilfe in Lesen und Schreiben.
Oft ist diese Art von Unterricht sehr schwierig da die Kinder starke Konzentrationsprobleme haben und ständig die einzelnen Buchstaben verwechseln.
Seit dem ich Englischunterricht bei den Kinder gab, kamen regelmäßig Lehrerinnen in meine Klasse um Briefe oder SMS vom Englischen ins Spanische übersetzt zu bekommen. So entschied ich nach kurzer Zeit ebenfalls Englischunterricht für die Lehrer am Nachmittag anzubieten. Seit dem Unterrichte ich zweimal die Woche eineinhalb Stunden Englisch für die Lehrer die sehr Interessiert und aufmerksam bei der Sache sind. Jedoch haben sie wie alle Leute in Nicaragua große Probleme mit der englischen Aussprache.
Da es an meiner Schule viele taubstumme Kinder gibt und viele in der Pause ankamen und versuchten mit mir zu kommunizieren beschloss ich zwei Mal die Woche Unterricht für Gebärdensprache zu nehmen Seit dem sieht man mich jede Pause wild gestikulierend auf dem Schulhof stehen um den Versuch zu Starten mit den Kindern übers Wochenende zu reden.
Im Großen und ganzen macht mir mein Projekt und mein Leben hier Nicaragua große Freude. Natürlich gibt es gute und schlechte Tage, aber ich würde sagen die guten Tage überwiegen. Jeden Morgen wenn ich in die Schule komme werde ich von den Kinder begrüßt und umarmt, manche Kinder lieben die Schule sogar so, dass sie anfangen zu weinen wenn sie gehen müssen und mich die ganze Zeit drücken. Aber nicht nur mit den Kindern komme ich gut zurecht sondern auch mit den Lehrerinnen und mit dem Direktor, obwohl mein Spanisch nicht das Beste ist nehmen sie sich immer wieder Zeit für mich und lassen mir Raum zum Arbeiten. Ich habe bis jetzt viel Glück mit meinem Projekt gehabt und hoffe das es in der Zukunft so weiter geht.
Dank
Danke, an alle die mich gedanklich, so wie finanziell in meinem Jahr unterstützen. Ohne Eure Hilfe wäre dieses Projekt, wahrscheinlich nicht möglich und Ihr seid genau so Teil von meinem Jahr, wie all die schönen Erlebnisse die ich hier in Nicaragua machen darf.
In diesem Sinne:
Vielen Vielen Dank
Euer Tim
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen