Montag, 15. Februar 2010

Zweiter Rundbrief

Mittlerweile ist ein halbes Jahr vergangen und somit habe ich nun auch schon meine großen Ferien hinter mir. Die längsten Ferien in Nicaragua dauern zwei Monate, von Dezember bis Januar, und nach ihnen beginnt für Kinder und Lehrer das neue Schuljahr. Ich persönlich habe die Ferien genutzt um mit den anderen Freiwilligen in Mittelamerika herum zu reisen. Unsere Route ging von Guatemala bis nach Panama. In Nicaragua feierten wir auf der Karbik-Insel Corn Island Weihnachten. Dieses Weihnachten wurde hier jedoch anders als bei uns in Deutschland gefeiert, so wurde an Heiligabend nicht besinnlich um den Weihnachtsbaum gesessen, sondern um eine Palme und kurz nach der Bescherung wurde auch schon am Strand gefeiert. Anders als bei uns in Deutschland wird hier nämlich ein Feuerwerk an Weihnachten gemacht und danach wird getanzt. Das einzig besinnliche an Weihnachten war am nächsten Morgen zu weihnachtlicher Reggaemusik in der Hängematte zu liegen. Auf meiner kompletten Reise habe ich viel gesehen unter anderem einen aktiven Vulkan, Haie und Delfine. Besonders ist mir jedoch auf der Reise aufgefallen wie arm Nicaragua im Vergleich zu den anderen Ländern in Mittelamerika ist. Und somit bin ich auch schon beim Thema dieses Rundbriefes:

Nicaragua und Ich

Allgemein

Nicaragua ist nach Haiti das Ärmste Land in Latain-Amerika. Und genau wie Haiti im Moment, ist Nicaragua auch schon durch die eine oder andere Umweltkatastrophe zu Schaden gekommen. Zum Beispiel gab es vor ca. 40 Jahren ein starkes Erdbeben in der Hauptstadt Managua, das die Stadt fast vollkommen zerstört hat. Somit verloren viele Menschen ihr komplettes Hab und Gut. Seit diesem Erdbeben scheint sich die Hauptstadt nicht mehr wirklich erholt zu haben. In Managua leben über eine Millionen Menschen und der größte Teil lebt in Blechhütten im Zentrum der Stadt. Ich persönlich würde Mangua auch als die hässlichste Stadt in Nicaragua bezeichnen. Überall liegt Müll, da jeder seinen Müll aus dem Fenster von Bussen oder Autos wirft. Außerdem gibt es kein wirkliches Stadtzentrum oder historisches Gebäude. Da die meisten Häuser sehr einfach konstruiert sind, bestehen sie oft nur aus einem Stockwerk, aus diesem Grund ist die Stadt sehr flach..
Im Gegenteil zu Managua steht Matagalpa, die Stadt in der ich lebe. Matagalpa liegt in den Bergen und ist im Vergleich zu Managua wesentlich kühler. Zudem schmückt eine schöne weiße Kirche den Stadtkern. Matagalpa ist die Stadt des Kaffees und gehört deshalb zu den etwas reicheren Städten in Nicaragua, trotzdem merkt man auch hier die Armut an vielen Ecken. Für mich scheint es oft so als ob es einen große Kluft zwischen Arm und Reich in Matagalpa gibt. Da gibt es Familien die haben ein Auto, eine Finka und können es sich leisten Essen zu gehen. Doch die meisten Leute, wie zum Beispiel meine Lehrer sind oft so Arm dass sie sich nicht einmal die T-Shirts der Schule leisten können, die sie jedoch kaufen müssen, da es die Staat so vorschreibt. Mein Direktor zum Beispiel verdient 150 Dollar im Monat, somit liegt sein Einkommen unter meinem Verpflegungs-Geld.
Viele Kinder sind oft so Arm dass sie nur in der Schule essen bekommen oder sich nicht die Anreise zur Schule Leisten können.

Obwohl Matagalpa eine sehr ruhig gelegene Stadt ist, ist es sehr laut. Jeden Tag fahren Autos mit riesigen Lautsprechern durch die Stadt um Werbung für jegliche Sachen zu machen. Außerdem sind hier Autos sowie Motorräder wesentlich kaputter und älter als in Deutschland, was dazu führt dass sie mit einer hohen Lautstärke durch die Straßen knattern.
In Nicaragua gibt es kein Eisbahn- oder Straßenbahnnetz, deshalb fährt man meistens mit dem Bus oder innerhalb der Stadt mit dem Taxi. In Matagalpa kostet eine Taxifahrt ca. 35 Cent. Mit Bus bezahlt man pro Stunde Fahrt 70 Cent. Taxis und Busse werden sehr von den Besitzern gepflegt, man findet oft eine große Musikanlage oder bunte Lichtershows vor. Den Stil der Taxi- und Busdekoration würden wir in Deutschland wahrscheinlich als Kitschig bezeichnen, doch hier zählt man mit einem Duftbaum oder einer Puppe im Auto als totaler Trendsetter.

Politik
Kurz vor meinem eintreffen in Nicaragua war der dreißigste Geburtstag der Revolution. Vor 30 Jahren stürzten die Sandinisten die Diktatorfamilie Somza. Nach dieser Revolution herrschte in Nicaragua erst einmal Bürgerkrieg. Auch noch Heute sieht man viele Leute mit großen Wunden oder verlorenen Gliedmaßen auf der Straße. Da es in Nicaragua kein ausgebautes Gesundheitssystem gibt, sind diese Leute meist Bettler. Auf Grund dieses Gesundheitssystem und dem wenigen Geld gibt es in Nicaragau viele Menschen mit kaputten Zähnen. Oft bekommt man ein schwarzes, goldenes oder silbernes Lächeln von den Leuten.
Heute ist in Nicaragua Daniel Ortega, ein Vertreter der Revolution, an der Macht. Obwohl in Nicaragua Demokratie herrscht, gibt es eigentlich nur zwei Seiten, einmal die Leute die auf der Seite von Daniel Ortega stehen oder die die dagegen stehen. Leider ist die Politik von Daniel Ortege sehr korrupt, weshalb Nicaragua wahrscheinlich in den nächsten Jahren auch nicht aus der Armut heraus kommt.

Die Nicas

Allgemein
Der Nica an sich ist eigentlich ein sehr freundlicher Mensch, der immer Hilfsbereit ist. Wenn ich zum Beispiel auf der Straße nach dem Weg zu irgendeinem Ort frage, werde ich meist von den Leuten sogar persönlich dorthin gebracht. Schnell ist man in ein Gespräch verwickelt oder wird sogar von den Leuten zu sich nach Hause eingeladen. Und auch wenn sie noch so Arm sind
bieten sie dir reichlich zu Essen an. Jedoch gibt es auch die Kehrseite des Ganzen, wenn ich Nicas zu mir ins Haus einlud, wurde sich gerne das Essen eingepackt, um noch etwas für die Familie daheim zu haben.
Eine weitere Eigenschaft der Nicas ist dass sie gerne Feiern, so gibt es jeden Monat mindesten drei Feiertage an denen keiner Arbeiten muss. Zu diesen Feiern gehören auch oft Paraden, die mit lauter Musik durch die Straßen ziehen. Eigentlich gibt es hier jeden Tag eine Parade und wenn nicht zum Anlass einer Feier oder Demonstration ist, ist es eine Beerdigungen. Bei einer Beerdigung wir nämlich der Sarg auf einem Auto mit trauriger Musik durch die Stadt, bis zum Friedhof gefahren. Hinter dem Auto ziehen dann die Angehörigen mit traurigen Gesichtern hinterher. Am Anfang meiner Zeit fand ich es auch noch traurig, aber mittlerweile habe ich mich schon an eine solche Art der Beerdigung gewöhnt.
In den Schulen gibt es noch einen weiteren Tag frei, nämlich jeden letzten Freitag im Monat. Jedoch habe ich bis jetzt noch keine Erklärung, weshalb alle Schüler und Lehrer diesen Tag frei bekommen.

Essen
Der Nica liebt das Kochen und natürlich auch das Essen. Ich bin in dieser Hinsicht etwas gespalten, einerseits mag ich das Essen andererseits hängt es einem auch schnell zum Hals heraus. Zum Beispiel gibt es zum Frühstück grundsätzlich nur Gallo Pinto ( Reis und Bohnen), das national Gericht von Nicaragua, was ich nach einiger Zeit einfach nicht mehr sehen oder essen konnte. Jedoch gibt es viele andere Gerichte, wie zum Beispiel Enchiladas oder Indio vijeo ( eine Art Hühnerfrikassee) , die sehr lecker schmecken. Jedoch muss jeder der nach Nicaragua kommt damit rechnen das er mindestens einmal Durchfall bekommt, da die hygienischen Bedingungen nicht denen in Deutschland entsprechen.

Religion
Nicaragua ist ein sehr religiöses Land, der größte Teil der Menschen sind Christen. Aber hier ist man nicht der geheime Untergrundchrist wie bei uns. Sonder hier zeigt man der ganzen Welt wie wichtig einem Gott ist. Überall gibt es Kirchen die meist in kleineren Räumen untergebracht sind. Außerdem sieht man an jeder Ecke Aufkleber oder Worte von Jesus.
In meiner Schule wird jeden Tag gebetet und wenn man Leuten erzählt dass man Freiwilliger in ihrem Land ist, heißt es oft: „Danke an Gott dass ihr hier seid um uns zu helfen!“
Viele Nicas sind katholisch, jedoch setzt sich immer mehr eine evangelische Kirche aus den Vereinigten Staaten durch, die es den Menschen verbietet zu Trinken und zu Rauchen. Aus diesem Grund gibt es hier zwei Gruppen, einmal die die auch gerne Mal ein Bierchen zu viel trinken, anderseits die die noch nicht einmal Tanzen gehen und lieber die Bibel studieren. Viele Menschen haben hier auf Grund der Armut große Probleme die sie oft im Alkohol ertränken, aus diesem Grund finde ich es gut das viele Leute schließlich doch nicht dem Alkohl verfallen oder von ihm wegkommen, da sie in der Kirche halt finden.

Familie
Die Familien in Nicaragua sind meist wesentlich größer als in Deutschland, so haben die meisten bis zu 40 Verwandte. Frauen bekommen hier meist schon sehr früh Kinder, so sieht man oft 13jährige mit schwangerem Bauch durch die Straßen laufen. Für mich ist es oft etwas schockierent, da hier Mütter herumlaufen die selber noch Kinder sind. So liegt oft schon eine hohe Verantwortung auf den Jugendlich.
Da ich mit behinderten Kindern zusammen Arbeite fällt mir auch immer wieder auf, wie liebevoll viele Eltern mit ihren behinderten Kindern umgehen. Zum Beispiel fährt ein Vater jeden Tag seinen normalerweise im Rollstuhl sitzenden Sohn auf dem Motorrad zur Schule, und trägt ihn dann mit den Armen in einen Rollstuhl der Schule. Eine andere Mutter sehe ich oft ihren, im Rohlstuhl sitzenden Sohn durch die Stadt schieben, und bei der in Nicaragua herrschenden Straßensituation ist das wahrhaft nicht einfach.
Ein weiteres Thema in Nicaragua ist wahrscheinlich die Beziehungen zwischen Männer und Frauen, da Frauen oft eine untergeordnete Rolle spielen. Männer sind hier ziemliche Machos und mittlerweile bin echt genervt wenn meinen weiblichen Mitfreiwilligen ständig hinterher gepfiffen wird. Außerdem findet man Abends in einer Bar meist nur Männer vor, dies liegt oft daran dass die Frauen zu Hause bei den Kindern bleiben müssen. Jedoch kann ich es nicht verstehen dass die Frauen, die zum größten Teil für die Erziehung der Kinder zuständig sind, sie zu solchen Machos erziehen. Oft merke ich nämlich schon bei den kleineren Kinder in meiner Schule eine klare Rollenaufteilung. Jungens raufen und Mädchen schminken sich!

Armut
Für mich persönlich ist die Armut oft nicht so sichtbar wie sie vorhanden ist. Natürlich bekommt man immer wieder erzählt wie Arm die Kinder in seiner Klasse sind und zum Teil kann man es auch sehen. Aber anderseits überspielt der Nica auch gut dass er kein Geld hat, indem die Leute meist saubere und gepflegte Kleidung tragen. Zudem würde eine Nica nie behaupten dass er Arbeitslos sei, immer findet er eine Antwort wie: „ Ach ich mach dies und das“. Sehr angenehm finde ich dass man nur selten angebettelt wird, da viele der armen Leute einem immer Sachen wie Karten von Winni Poo oder Bonbons verkaufen.


Zur Armut gehört auch dass meine Schule sich nicht mehr den Sprit für ihren Schulbus leiste können, der im Monat 70 Euro kostet. Deshalb wäre es schön wenn sie eine Idee oder etwas Geld übrig haben bei mir Melden könnten ( timlahr@gmx.de)

Ich bedanke mich in diesem Sinne bei allen Leuten die mich bei meinem Freiwilligen Friedensdienst Unterstützen

Vielen Dank

Tim Lahr